Literaturkreis

Italienische Literatur gemeinsam entdecken –
Lektüre und Gespräche in deutscher Sprache

VHS Bielefeld, Ravensberger Park, Raum 261, 15:00 h bis 16:30 h

Einmal im Monat – von Oktober bis Juni – trifft sich der Literaturkreis der Deutsch-italienischen Gesellschaft Bielefeld, um sich (auf Deutsch) in lockerer Form über Klassiker und Neuerscheinungen der italienischen Literatur zu unterhalten.

Keine Teilnahmegebühr!


Am 9. Oktober 2023 diskutieren wir über das autobiographische Buch von

Marisa Madieri, Wassergrün. Eine Kindheit in Istrien, aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend, P. Zsolnay Verlag, 2012

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Marisa Madieri, Verde acqua, Einaudi 1987

1947 verändert ein historisches Ereignis die bis dahin kosmopolitische Stadt Fiume (kroatisch: Rijeka), in der Italiener, Ungarn, Kroaten und Slowenen friedlich zusammenleben, und somit auch das Leben von Marisa Madieris Familie grundlegend: Die Italiener werden aufgefordert, die jugoslawische Staatsbürgerschaft anzunehmen oder nach Italien zu emigrieren. Hunderttausende entscheiden sich für die Emigration.
Marisa Madieri erzählt von dieser Tragödie ohne jedes Pathos, erinnert sich aus dem Abstand von Jahrzehnten an diese Zeit des Umbruchs. „Eine Geschichte vom Zauber und von der Ernüchterung des Daseins.“ (Claudio Magris)     

 © Paul Zsolnay Verlag


Am 6. November 2023 steht im Mittelpunkt der erste Band einer in Italien sehr erfolgreichen Krimireihe um den charismatischen Kommissar Rocco Schiavone:

Antonio Manzini, Der Gefrierpunkt des Blutes, aus dem Italienischen von Anja Rüdiger, Rowohlt 2015

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Antonio ManziniPista nera, Sellerio 2013

Rocco Schiavone wird strafversetzt, ausgerechnet in das verschneite Aosta-Tal. Ein Albtraum für den römischen Kommissar. Erst, als auf der Skipiste eine Leiche gefunden wird, zermalmt von einer Schneeraupe, ist sein Ehrgeiz geweckt. Steckt eine Beziehungstat dahinter oder das organisierte Verbrechen? Doch Rocco hat nicht nur mit dem verschwiegenen Bergvolk zu kämpfen, sondern auch mit widrigen Wetterverhältnissen, die ihn zwingen, seine Lederslipper gegen unförmige Moonboots einzutauschen. Eine Zumutung, die sich nur mit jeder Menge Grappa ertragen lässt

© Rowohlt Verlag


Am 4. Dezember 2023 sprechen wir über den preisgekrönten Roman der deutsch-italienischen Schriftstellerin 

Helena Janeczek, Das Mädchen mit der Leica. Übersetzung aus dem Italienischen von Verena von Koskull, Berlin Verlag, Berlin 2020

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Helena Janeczek, La ragazza con la Leica, Guanda 2017

Gerda Taro. Als Gerta Pohorylle in Stuttgart geboren, in der Schweiz erzogen, in Leipzig zur überzeugten Sozialistin geworden, floh sie vor den Nazis nach Paris. Dort begegnete sie Robert Capa, auch er ein Hunger leidender jüdischer Flüchtling. Die beiden verlieben sich und arbeiten von nun an gemeinsam. Beide dokumentierten sie den Spanischen Bürgerkrieg, aber sie bezahlte diesen Einsatz mit dem Leben. Zu ihrer Beerdigung in Paris kamen Zehntausende; Capa führte mit Louis Aragon und Pablo Neruda den Trauerzug an und Alberto Giocometti schuf ihr Grabmal. Dann wurde Gerda Taro vergessen – bis 2007 in New York ein lang verschollener Koffer geöffnet wurde, darin fand man ihre Negative…

Wer war diese ungewöhnliche junge Frau, die ein paar Jahre lang ganz Paris den Kopf verdrehte? Helena Janeczek hat sie in diesem preisgekrönten Roman behutsam nacherfunden.

 © Berlin Verlag


Am 8. Januar 2024 wird sich unsere Diskussion um einen Überraschungserfolg des Jahres 2019 in Italien drehen:

Viola Ardone, Ein Zug voller Hoffnung, aus dem Italienischen von Esther Hansen, C. Bertelsmann Verlag 2022

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Viola Ardone, Il treno dei bambini, Einaudi 2019

Oder in der „Roten Reihe“ des Reclam-Verlags:

Viola Ardone, Il treno dei bambini, ital. Hrsg. von Dorothea Zeisel, Reclam Verlag 2023

Neapel, 1946: Der 7-jährige Amerigo lebt mit seiner Mutter in einem der ärmsten Viertel und hat ständig Hunger. Als die Mutter von einer wohltätigen Initiative hört, die bedürftige Kinder für ein knappes Jahr zu Familien im reicheren Norditalien schickt, scheint dies die beste Lösung zu sein. Hoffnungsfroh, aber auch etwas bange besteigt Amerigo mit vielen Kindern den Zug. In seiner neuen Familie lebt er sich schnell ein, entdeckt seine Liebe zur klassischen Musik, bekommt sogar eine Geige geschenkt. Nachdem die paradiesische Zeit vorbei ist, erscheint ihm seine Mutter in Neapel ganz fremd. Als er kurz darauf erfährt, dass sie aus Geldnot heimlich seine Geige verkauft hat, fühlt Amerigo sich verraten. Er reißt aus und steigt noch einmal in den Zug, fest entschlossen, Neapel für immer hinter sich zu lassen …

 © C. Bertelsmann Verlag


Am 5. Februar 2024 steht ein Klassiker der italienischer Literatur des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt:

Carlo Cassola, Mara, aus dem Italienischen von Hanna Dehio, München 1961

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Carlo Cassola, La ragazza di Bube, Turin 1960

Die Geschichte spielt in einem Tal in der Toskana kurz nach Ende des 2. Weltkrieges und schildert am Beispiel des Protagonisten Bube die Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung von ex-Partisanen in die Gesellschaft.

Bube kommt in das Dorf seines während des Widerstands gestorbenen Freundes Sante. Sofort entsteht eine Sympathie zwischen ihm und Santes Halbschwester, der sechzehnjährigen Mara. Sie beginnen einen Briefwechsel, und es entwickelt sich eine Liebesbeziehung.

Eines Tages erzählt Bube Mara, dass er bei seiner Familie in Volterra Zuflucht suchen muss, da er eines Verbrechens beschuldigt wird…

Ein starker Roman im Stile des Neorealismus, der 1960 mit dem wichtigen Literaturpreis „Premio Strega“ ausgezeichnet wurde.

Das Buch wurde 1963 von Luigi Comencini verfilmt, mit Claudia Cardinale und George Chakiris in den Hauptrollen.

Bild: @ Nymphenburger Verlag


Am 4. März 2024 steht eine spannende Coming-of-Age-Geschichte aus dem Italien am Ende des vorigen Jahrhunderts im Mittelpunkt:

Enrico Brizzi, Ein verdammt starker Abgang, aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann, München 1997

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

 Enrico Brizzi, Jack Frusciante è uscito dal gruppo, Ancona 1994

Bologna, Anfang der Neunziger Jahre.

Der siebzehnjährige Alex, sowohl in der Schule als auch im gutbürgerlichen Elternhaus immer gewissenhaft und fleißig, beginnt plötzlich, sich „anarchisch“ zu verhalten.

Inmitten dieses turbulenten Übergangs von der späten Adoleszenz zum Erwachsenenalter tritt Aidi in sein Leben, eine Schulkameradin. Alex verliebt sich in sie. Sie allein durchschaut den Panzer der Gleichgültigkeit und Arroganz, den er selbst zwischen sich und dem Rest der Welt errichtet hat. Am Ende des Schuljahres geht Aidi für einen Schüleraustausch in die USA…

Bild: @ Goldmann Verlag


Am 15. April 2024 diskutieren wir über einen in Italien sehr erfolgreichen Roman aus dem Jahre 2017:

Fabio Genovesi, Wo man im Meer nicht mehr stehen kann, aus dem Italienischen von Mirjam Bitter, C. Bertelsmann 2019

Sie möchten das Buch lieber in der Originalsprache lesen? 

Fabio Genovesi, Il mare dove non si tocca, Mailand 2017

Der 6jährige Fabio hat es nicht leicht: Seine „10 Großväter“, die vielen unverheirateten Brüder seines Opas, reißen sich nur darum, ihn zu den kuriosesten Unternehmungen mitzunehmen. Erst in der Schule merkt Fabio, dass man als Kind auch mit Gleichaltrigen spielen kann – doch da ist seine Rolle als Außenseiter schon vorprogrammiert. Die Kindheit am (und über weite Teile auch im) Meer ist für den Jungen ein ebenso großes Abenteuer wie die Entdeckung des Lesens und Schreibens. Und als sein Vater nach einem tragischen Unfall regungslos im Krankenhaus liegt, sind es die selbst verfassten Texte des inzwischen 12jährigen, die bei seinem Vater eine Reaktion auslösen. »Wo man im Meer nicht mehr stehen kann« ist eine virtuos erzählte Familiengeschichte voller liebenswert-schrulliger Figuren und sommerlicher Italien-Atmosphäre. Mit seinen autobiografischen Zügen ist der Roman gleichzeitig eine Liebeserklärung an die (wortwörtlich lebensrettende) Kraft des Schreibens und der Fantasie.

© C. Bertelsmann Verlag


Am 6. Mai 2024 diskutiert der Literaturkreis über einen Roman der jungen, preisgekrönten italienischen Autorin Giulia Caminito:

Giulia Caminito, Das Wasser des Sees ist niemals süß, aus dem Italienischen von Barbara Kleiner, Wagenbach 2022

In der Originalausgabe:

Giulia Caminito, L’acqua del mare non è mai dolce, Mailand 2021

VHS, RaSpi, Raum 261, 15:00 Uhr

Eine Frage der Klasse: Radikal unversöhnlich erzählt Giulia Caminito von nicht eingelösten Aufstiegsversprechen und den enttäuschten Träumen einer ganzen Generation junger Italiener – ein berührender, zorniger, großer Anti-Bildungsroman.

Am Grund des Sees liegt eine versunkene Weihnachtskrippe, sein Wasser schimmert trüb, schmeckt nach Sonnencreme und Benzin. Hier, am Lago di Bracciano, bezieht Gaia mit ihrer Familie eine Sozialwohnung: der Vater, der seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt, der ältere anarchistische Bruder Mariano, die kleinen Zwillinge – und die Mutter Antonia, die so zupackend wie rücksichtslos alles zusammenhält.

Ihre Tochter, blass, sommersprossig, dürr, soll nicht so enden wie sie, Bildung soll der Ausweg für Gaia sein. Doch die erkennt früh, dass Talent und zwanghafter Fleiß nicht ausreichen, um mitzuhalten – wenn man kein liebes Mädchen sein will, den filzstiftgrünen Pullover des Bruders aufträgt und sich kein Handy leisten kann. Konfrontiert mit Herabsetzungen, Leistungsdruck und Orientierungslosigkeit verwandelt sich Gaias stumme Verletzlichkeit in maßlose Wut, die sie zunehmend Grenzen überschreiten lässt.

Giulia Caminito hat ein sanftes, raues, wundersam reiches Buch geschrieben: über eine Jugend in der Provinz, lächerliche Lieben, grundstürzende Dramen und eine junge Frau, die ihrer Herkunft nicht entkommt. Ein Roman mit einer unverwechselbaren Erzählstimme und Bildern, die haften bleiben wie ungeliebte Spitznamen  

© Wagenbach Verlag